Wer Zahnschmerzen hat, geht zum Zahnarzt. Eigentlich logisch. Doch vielen steht die Angst dabei im Weg. Sie fürchten sich vor der Spritze, den Gerüchen in der Praxis und dem Gefühl, ausgeliefert zu sein. Das macht die Zahngesundheit nicht lange mit. Die vielen Jahre ohne professionelle Unterstützung hinterlassen Spuren an den Zähnen. Dabei gibt es für Angstpatienten mittlerweile besonders schonende Behandlungsmethoden. Wir erklären, wie der Zahnarzt Patienten mit panischer Angst hilft und was Angstpatienten selber tun können.
Was ist eigentlich Zahnarztangst?
Der Zahnarztbesuch gehört sicher nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen. Doch die meisten von uns lassen sich trotzdem mindestens zweimal im Jahr auf Zähne und Zahnfleisch schauen – weil es sein muss. Mehr als 8 Millionen Menschen in Deutschland haben teilweise seit Jahrzehnten keine Zahnarztpraxis mehr von innen gesehen. Sie leiden unter panischer Zahnarztangst.
#FragDenZahnarzt: Vererbte Zahnarztangst – Hilfe aus der Praxis!
Für die Betroffenen löst allein der Gedanke an den Zahnarztbesuch große Angstgefühle mit körperlichen Reaktionen aus. In diesem Fall spricht man nicht mehr von der Zahnarztangst, sondern von einer Phobie, die psychotherapeutisch behandelt werden muss. Die Ursache für die starke Angst liegt meistens in negativen Erfahrungen aus der Kindheit. Die Angstpatienten verknüpfen den Besuch beim Zahnarzt mit Schmerzen und vermeiden ihn deshalb.
Was sind die Folgen von Zahnarztangst?
Dafür nehmen sie sogar starke Zahnschmerzen in Kauf. Durch die fehlende Kontrolle in der Praxis besteht oft ein großer Nachholbedarf bei der Zahngesundheit. Angstpatienten berichten, dass sie teilweise nur einmal in 20 Jahren den Zahnarzt aufgesucht haben. Und das auch nur, weil sie die Schmerzen nicht mehr ertragen konnten.
Wer den Zahnarztbesuch vermeidet, der riskiert:
- Karies
- Parodontitis
- Mundgeruch
- Fehlbisslage
- Zahnverlust
- Entzündungen
- Verfärbungen
In extremen Fällen führt die Zahnarztangst zur sozialen Isolierung, weil sich die Patienten für ihre schlechten Zähne schämen. Der fehlende Kontakt zu anderen Menschen ist gleichzeitig eine große Gefahr. Wenn Bekannte und Verwandte den schlechten Zustand der Zähne nicht bemerken, steigt das Risiko für ernsthafte Erkrankungen.
Angstpatienten sollten sich deshalb an einen Zahnarzt wenden, der auf Angstpatienten spezialisiert ist und über alternative Narkosemöglichkeiten zur Schmerzausschaltung verfügt.
Wie kann der Zahnarzt Angstpatienten helfen? Antworten von Zahnarzt Lennard Bertram aus Leer:
Was ist wichtig im Umgang mit Angstpatienten?
Hier unterscheide ich zwei Sorten Angstpatienten: Der eine hat Angst vor dem Unbekannten und möchte verständlich aufgeklärt werden über den Behandlungsablauf, aber insbesondere auch über zu erwartende Schmerzen bei oder nach der Behandlung. Er erwartet ein schlüssiges Therapie- und Medikationskonzept, damit das Problem planbar und nachhaltig gelöst wird. Der andere Typ möchte vor allem jetzt die Schmerzen loswerden. Das ganze Thema Mund und Zahn ist für ihn äußerst negativ belegt, so dass er es verdrängt. Hier ist der Zahnarzt gefragt, zuerst durch gutes Zureden die Nervosität zu nehmen und mit fortschrittlichen Methoden der Sedierung und Anästhesie die Behandlung so angenehm wir möglich zu gestalten.
Welche Anästhesiemethoden sind sinnvoll?
Bei Angstpatienten ist Lachgas eine äußerst schnelle und effektive Methode, eine Sedierung vorzunehmen. Bei der Anästhesie selbst ist es wichtig, nicht nur auf die Standardregeln aus dem Lehrbuch zu vertrauen, sondern stets im Gespräch mit dem Patienten zu erfragen, ob dieser noch einen Schmerz spürt oder nicht. Außerdem kann es schon helfen, wenn der Zahnarzt auf Augenhöhe mit dem Angstpatient spricht. Das bedeutet: Ein visueller Typ muss nicht vollgetextet werden oder andersherum: Dem auditiven Typ sollten nicht nur Bilder gezeigt werden. Hypnosesprache kann auch hilfreich sein.
#FragDenZahnarzt: Das sollten Sie zur Behandlung mit Lachgas in der Zahnarztpraxis wissen!
Wie sinnvoll ist die Hypnose beim Zahnarzt?
Eine weitere Möglichkeit der angstfreien Behandlung ist Hypnose. Dabei soll sich der Patient völlig entspannen und Schmerzreize ausblenden. Die Tiefe des Hypnosezustandes ist jedoch stark abhängig vom Charakter des Patienten, den Umständen in der Praxis und der Qualität der Hypnose.
“Die Hypnose ist ein Hilfsmittel, aber keine Alternative zur vollständigen Schmerzausschaltung. Eine Hypnose kann sehr gut geeignet sein, Patienten mit Zahnarztphobie zu behandeln. Der Nachteil der Hypnose besteht darin, dass sie sehr zeitaufwendig ist und nicht jeder Patient dafür zugänglich ist.” Dr. Gerald Schillig, Zahnarztpraxis Podbi344 in Hannover
Zur Anwendung einer Hypnose benötigt der Zahnarzt das Zertifikat der Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Hypnose (DGZH). Auf der Website der DGZH können sich Patienten über einen Zahnarzt mit entsprechender Fortbildung in ihrer Nähe informieren.
Was gibt es für alternative Behandlungsmethoden?
Neben der Hypnose bieten einige Zahnärzte mittlerweile auch die Behandlung mit einem sogenannten Zauberstab an. Dahinter steckt ein System zur computergestützten Zahnbetäubung, das im Gegensatz zur Spritze völlig schmerzfrei sein soll.
Die Funktionsweise: Der Zauberstab wird an die entsprechende Stelle im Mund gelegt. Daraufhin berechnet der Computer die ideale Position für die Betäubung. Ein Anästhetikum fließt der Nadelspitze voraus und betäubt das Gewebe bereits vor dem Einstich. Laut Hersteller wird nur der Zahn betäubt, der behandelt werden soll. Diese Vorgehensweise nennt sich Single-Tooth-Anaesthesia (STA).
Bei großem Handlungsbedarf hilft die Vollnarkose
In manchen Fällen helfen die alternativen Behandlungsmethoden nicht weiter. Bei sehr großem Sanierungsbedarf im Mund ist die Vollnarkose als Schmerzausschaltung eine gute Option. Zahnärzte arbeiten hierfür meistens mit erfahrenen Anästhesisten zusammen, die für große Eingriffe extra aus Spezialpraxen anreisen und den Patienten über den gesamten Behandlungszeitraum betreuen.
Formen der Anästhesie beim Zahnarzt
- Oberflächenanästhesie: Das Lokalanästhetika wird auf Haut oder Schleimhaut aufgebracht und führt zur Funktionshemmung von Nerven.
- Infiltrationsanästhesie: Mittels Injektion wird ein Anästhetikum ins Gewebe gespritzt und führt dort zur lokalen Schmerzausschaltung.
- Leitungsanästhesie: Hierbei wird ein ganzer Nervenbereich betäubt, um beispielsweise einen größeren chirurgischen Eingriff unter Schmerzausschaltung vornehmen zu können. Sie kommt zum Beispiel bei der Entfernung von Weisheitszähnen zum Einsatz.
Aktiv werden und neues Vertrauen gewinnen
Wenn Sie Angst vor dem Zahnarztbesuch haben, sollten Sie eines nicht tun: zuhause sitzen bleiben und die Schmerzen aushalten! Werden Sie aktiv und nehmen Sie Kontakt zu einem Zahnarzt in Ihrer Nähe auf, der Ihnen sympathisch ist und dem Sie vertrauen können. Denken Sie auch an Folgendes:
- Die Angst geht vorüber: So unangenehm die Angst auch sein mag: Sie ist nur ein Gefühl, das vorbeizieht. Sie müssen sich nicht damit beschäftigen, denn die Angst kann Ihnen nicht schaden!
- Bleiben Sie im Hier und Jetzt: Kehren Sie in das Hier und Jetzt zurück, wenn bei Ihnen das Kopfkino anspringt. Übungen zur Achtsamkeit können dabei eine gute Hilfe sein.
- Kämpfen Sie nicht gegen die Angst: Wenn Sie sich gegen die Angst wehren, wird es meistens nur noch schlimmer. Lassen Sie die Angst zu und akzeptieren sie dieses Gefühl. Schildern Sie dem Zahnarzt Ihre Ängste, damit er die Behandlung entsprechend planen kann.
- Lassen Sie es langsam angehen: Geben Sie sich Zeit, sich an die Situation zu gewöhnen und verabreden Sie sich zunächst zu einem ersten Kennenlerntermin. Das schafft Vertrauen und gibt Ihnen Sicherheit, dass die Zahnarztpraxis kein Ort ist, an dem Sie Schmerzen erwarten.
- Vereinbaren Sie Signale: Sprechen Sie vorher mit dem Zahnarzt und vereinbaren Sie Handzeichen. So behalten Sie die Kontrolle und können sich äußern, wenn es weh tut oder Sie eine Pause benötigen.
Zahnarztangst ist kein Grund, sich zu schämen. Jeder von uns hat schließlich vor etwas Angst. Nur leider hat die Spinne an der Wand keinen großen Einfluss auf unsere Gesundheit. Ihre Zähne schon!