aMMP-8. Das klingt erst einmal nach Musik und Party. Doch das ist der Name eines Enzyms, das es in sich hat. Es zerschneidet schützende Proteine, die Öffnungen zwischen den Zellen gegen Krankheitserreger verschließen. Besonders in der Mundhöhle verrichtet aMMP-8 sein zerstörerisches Werk: Es knockt die Gesundheitswächter aus und lässt ungebetene Gäste wie Bakterien, Parasiten und Viren ein. Daher ist es wichtig, dass die Immunabwehr im Mund funktioniert. Zum Weltgesundheitstag (7. April) gibt Dentalhygienikerin Sabine Kittel Tipps rund um die Prophylaxe – gerade in Zeiten von Corona.

Zum Weltgesundheitstag berichtet Information Mundgesundheit über das Enzym ammp8, Parodontitis und Corona.
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Das Wichtigste auf einen Blick

  • Die aktive Matrix-Metallo-Proteinase 8 (aMMP8) ist verantwortlich für den Gewebeabbau, weil es die Kollagenfasern des Zahnhalteapparates zerstört.
  • Zu diesem Zeitpunkt ist bereits eine Entzündung (z. B. eine Parodontitis) da, was unweigerlich den Abbau von Gewebefasern (Kollagen) bedeutet.
  • Viele Menschen sind wegen einer Parodontitis in zahnärztlicher Behandlung. Mehr als die Hälfte (52 %) der über 35-Jährigen in Deutschland leidet an einer Parodontitis.
  • Bei den Senioren über 75 Jahre sind sogar 90 % nachweislich an einer Parodontitis erkrankt.
  • Dies kann eine Erklärung sein, warum sich gerade ältere Menschen so leicht mit COVID-19 anstecken und die Infektionen häufig tödlich verlaufen.
  • Eine kürzlich veröffentlichte Studie an 568 Patienten zeigt, dass COVID-19-Patienten mit Parodontitis fast 9-mal häufiger starben als COVID-19 Patienten ohne Parodontitis.
  • Finnische Wissenschaftler haben in einer Studie herausgefunden, dass sich aMMP-8 anhand eines Mundspültests nachweisen lässt.

aMMP-8: Was macht das im Körper?

Die aktive Matrix-Metallo-Proteinase 8 (aMMP8) ist verantwortlich für den Gewebeabbau, weil es die Kollagenfasern des Zahnhalteapparates zerstört. Das Enzym zerschneidet buchstäblich die Proteine, mit denen sich der Organismus gegen eindringende Krankheitserreger schützt. Eine gesunde Immunabwehr im Mund sorgt dafür, dass schädliche Mikroorganismen keine Chance haben, in den Körper einzudringen. Doch wer an einer Entzündung im Mund leidet, zum Beispiel einer Parodontitis, erlaubt Bakterien, Parasiten und Viren freien Zutritt. Dazu zählen auch Coronaviren.

Wie wird MMP8 in aMMP8 umgewandelt, also aktiviert? Wie unterscheiden sich die beiden Formen?

Das Enzym MMP8 liegt zunächst als inaktive Pro-Form in den Speichergranula der neutrophilen Granulozyten vor. Im Rahmen der parodontalen Entzündung kommt es zu dessen Ausschüttung, in deren Rahmen das Enzym verändert (verkürzt) und so aktiviert wird. Erst in dieser aktiven Form, die während der aktiven Entzündung im Gewebe bis zu 100-fach erhöht ist, kann das Enzym kollagene Fasern zerschneiden. Der Sinn liegt darin, den ­Immunzellen den Weg zu den Bakterien zu bahnen, was sich aber für den Patienten selbst als Gewebezerstörung manifestiert. (ZMP online, 2011)

 

Dentalhygienikerin Sabine Kittel

„Die Mundflora – Fachleute sprechen vom oralen Biom – ist die Gesamtmenge von Mikroorganismen in der Mundhöhle“, sagt Dentalhygienikerin Sabine Kittel. „Ist sie vielfältig und herrscht ein Gleichgewicht zwischen guten und krank machenden Bakterien, ist alles in Ordnung. Bei mangelnder Mundhygiene jedoch können schädliche Bakterien sowie deren giftige Ausscheidungsprodukte überhandnehmen. Dies löst die körpereigene Abwehr aus. Man kann sie sich wie einen Türsteher vorstellen, der ungebetenen Gästen den Zutritt verwehrt. Werden diese „Gäste“ aber zahlreicher, kommt, vereinfacht gesagt, aMMP-8 ins Spiel. Dieses Enzym – mit vollem Namen aktive Matrixmetalloproteinase-8 – schickt die Türsteher in die Pause.“ Zu diesem Zeitpunkt ist bereits eine Entzündung da, was unweigerlich den Abbau von Gewebefasern (Kollagen) bedeutet.

Sabine Kittel ist Dentalhygienikerin, systemischer Coach und Führungstrainerin. Als Gründerin der Akademie für Prophylaxe & Management bietet sie Zahnarztpraxen ein ganzheitlich ausgerichtetes systemisches Coaching-Programm an. Zu den Leistungen zählen Beratung, individuelles Coaching in Führung und Kommunikation und fachspezifische Prophylaxe-Trainings. Sabine Kittel ist zudem Botschafterin der DMS – Die Mundgesundheitsstiftung.

Eine Parodontitis macht es COVID-19 leicht

Viele Menschen sind wegen einer Parodontitis in zahnärztlicher Behandlung. Doch wie viele wissen nicht einmal, dass sie eine Parodontitis haben? Oder gefährdet sind? Mehr als die Hälfte (52 %) der über 35-Jährigen in Deutschland leidet an einer Parodontitis.

Experten gehen daher von einem Therapiebedarf bei etwa 28 Millionen Erwachsenen in Deutschland aus. Nur etwa 3 bis 4 % der Betroffenen erhalten allerdings eine adäquate Therapie.

Mögliche Gründe dafür:

  • der Beginn der Erkrankung wird nicht rechtzeitig erkannt
  • die notwendige Therapie wird nicht verfolgt.

Ältere Menschen besonders gefährdet

Bei den Senioren über 75 Jahre sind sogar 90 % nachweislich an einer Parodontitis erkrankt. Dies kann eine Erklärung sein, warum sich gerade ältere Menschen so leicht mit COVID-19 anstecken und die Infektionen häufig tödlich verlaufen.

Parodontitis: Wenn der Zahnhalteapparat entzündet ist

Wenn der Zahnhalteapparat, also das Zahnfleisch, aber auch Kollagenfasern, Wurzelhaut, Wurzelzement oder das knöcherne Zahnfach im Kiefer entzündet ist, spricht man von einer Parodontitis.

Eine unbehandelte Parodontitis lässt durch den Abbau von Gewebe nicht nur das Zahnfleisch schwinden und Zähne ausfallen. Sie kann auch die Risiken für weitere – teils lebensbedrohliche – Erkrankungen im ganzen Körper erhöhen:

  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen (Arteriosklerose, Herzinfarkt, Endokarditis)
  • Schlaganfall, Gehirnabszess
  • Infektionen der Lunge
  • Schwangerschaftsprobleme (Frühgeburt, niedriges Geburtsgewicht, erhöhte Säuglingssterblichkeit)
  • Diabetes mellitus

Fataler Zusammenhang zwischen Parodontitis und COVID-19 nachgewiesen

Eine kürzlich veröffentlichte Studie an 568 Patienten zeigt, dass COVID-19-Patienten mit Parodontitis

  • 3,5-mal häufiger auf die Intensivstation verlegt werden mussten
  • 4,5-mal häufiger beatmet werden mussten
  • fast 9-mal häufiger starben als COVID-19 Patienten ohne Parodontitis

Anders ausgedrückt: Rein statistisch haben Menschen mit einer nicht behandelten Parodontitis ein um bis zu 70 % höheres Risiko, an einer COVID-19-Infektion zu versterben – statistisch.

aMMP-8-Nachweis durch Mundspültest

Doch es gibt gute Nachrichten: Finnische Wissenschaftler haben in einer Studie herausgefunden, dass sich aMMP-8 anhand eines Mundspültests nachweisen lässt. Ist der Wert zu hoch, lässt sich die orale Immunbarriere schnell verbessern – nämlich mit einer gezielten Mundhygiene.

„Ein erhöhter aMMP-8-Spiegel deutet darauf hin, dass Gewebe im Mund abgebaut wird. Niedrige aMMP-8-Spiegel sprechen dafür, dass das Gewebe sicher und stabil ist – die Immunbarriere ist in Ordnung“, sagt Prof. Roland Frankenberger (Professor für Zahnmedizin an der Universität Marburg).

So verbessert der Test die Früherkennung beispielsweise von Parodontitis und anderer Erkrankungen des Körpers, die eng mit Entzündungen in der Mundhöhle zusammenhängen.

Früherkennung in der Zahnarztpraxis ist das A und O

Die regelmäßige zahnärztliche Prophylaxe ist also wichtiger denn je – am besten mit Test. Patient*innen sollten daher ihre Termine zur Routineuntersuchung und zum Check-up keinesfalls verschieben. Sabine Kittel ist davon ebenfalls überzeugt: „Auch, wenn ein Patient gesund erscheint, Zahnfleisch und Zähne super aussehen, kann bereits eine Entzündung da sein“, warnt die Dentalhygienikerin. „Wir haben festgestellt, dass bei über 40 % augenscheinlich gesunder Patienten der Test anschlug. Der Speichel lügt nicht!“

Sofortige Therapie möglich

„Diese Menschen haben wir dann sofort aufzuklären, zu therapieren, um die Entzündung praktisch im Keim ersticken können“, so Dentalhygienikerin Kittel. Zudem sei der Test im Gegensatz zur Erhebung klinischer Befunde (Taschentiefenmessung, Blutung auf Sondierung und Röntgen) um das 2- bis 3-fache genauer. Der Test ist einfach, dauert nur fünf Minuten, und das Ergebnis liegt sofort vor.

Woran erkenne ich eine gute Prophylaxe-Praxis?

Nicht alle Zahnarztpraxen sind auf Prophylaxe und Prävention spezialisiert. Worauf sollten Patientinnen und Patienten achten?

  • Schauen Sie sich das Behandlungsspektrum auf der Website an oder stellen Sie Fragen:
    • Steht die Zahnerhaltung im Vordergrund?
    • Gibt es ein individuelles Prophylaxe-Konzept?
    • Finden Sie verständliche Informationen zu den Inhalten und dem Umfang der Prophylaxe?
  • Hinterfragen Sie die Qualität des Personals:
    • Eine Prophylaxe-Behandlung /professionelle Zahnreinigung sollten ausschließlich speziell ausgebildete Prophylaxe-Assistentinnen vornehmen.
    • Wurden Sie umfassend aufgeklärt?
    • Die Prophylaxe sollte weder während noch nach der Behandlung zu Schmerzen führen.

Lesen Sie dazu auch unseren Artikel Die Prophylaxe beim Zahnarzt: Mehr als ein Frühjahrsputz für die Zähne!

Weltgesundheitstag 2021

Der Weltgesundheitstag am 7. April ist ein Projekt der Weltgesundheitsorganisation WHO. Sie ist im Rahmen der Vereinten Nationen für die öffentliche Gesundheit zuständig. Der diesjährige Weltgesundheitstag steht unter dem Motto „Chancengleichheit – eine gerechtere, gesündere Welt schaffen“. Durch gezielte Aktionen sollen alle Gemeinschaften besseren Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung und Möglichkeiten, die Pandemie einzudämmen, erhalten.

Fangen wir also im eigenen Mund an: Prophylaxe und Entzündungsbekämpfung ist auch COVID-19-Bekämpfung!