Wenn es im Nacken zieht und die Wirbel knacken, plagt viele von uns das schlechte Gewissen. Zu wenig Sport und zu langes Sitzen – das sind laut Statista für mehr als 30 % der Schmerzgeplagten die Ursachen. Mehr Sport hilft aber nur bedingt, wenn Zähne und Kiefer die versteckten Übeltäter sind. Zum Tag der Rückengesundheit (15. März) erklären wir, warum Sie bei Schmerzen besser nicht mehr auf die Zähne beißen.

Darstellung der Wirbelsäule im Rücken

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Unser Mund ist eng mit der Muskulatur im gesamten Körper verbunden
  • Die  Zähne und der Biss beeinflussen die Statik des Körpers .
  • Durch Fehlhaltungen entstehen Verspannungen im Rücken, die sich über die Halswirbelsäule bis zum Kiefer ausdehnen können. 
  • Die Funktionsstörung des Kiefergelenks in Zusammenwirkung mit Verspannungen im gesamten Körper bezeichnet man als Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD).
  • Die CMD unterscheidet man in aufsteigende- und absteigende Dysfunktion. 
  • Eine CMD kann sich durch vielseitige Schmerzen wie Tinnitus, Kopfschmerzen und extreme Verspannungen zeigen
  • Die CMD-Therapie gelingt nur durch die Zusammenarbeit des Zahnarztes mit Fachärzten und Physiotherapeuten

Muskulatur und Mund stehen in engem Austausch

Gesunde Zähne sind eine Frage der Haltung! Genauso beeinflussen die Muskeln im Rücken und im gesamten Körper was im Mund passiert. Gerät ein Teilchen aus dem Gleichgewicht, hat das Folgen, die sich wie eine Kettenreaktion auf andere Teile des Körpers auswirken können.

Viele Menschen wissen nicht, dass der Mund und die gesamte Muskulatur eng miteinander verbunden sind. Beim Kauen, Sprechen und Lachen bewegen wir neben unserem Kiefer auch Kopf, Hals, Rücken und Extremitäten. An einem herzlichen Lachanfall beteiligen sich gut 135 Muskeln im gesamten Körper!

Fehlhaltung machen sich schnell bemerkbar

Unser Rücken ist ein komplexes Gebilde. Über 300 Muskeln und 24 Wirbel halten uns aufrecht. Sie sorgen dafür, dass wir den Oberkörper drehen und wenden. Dieses Korsett aus Muskeln und Bändern ist empfindlich. Fehlhaltungen oder Verspannungen machen sich schnell bemerkbar ­– jeder dritte Deutsche hat Rücken. 13 %  von uns leiden laut Statista-Umfrage jeden Tag unter Schmerzen.

Bewegungsmangel ist Gift für die Muskulatur

Viele Menschen sitzen zu viel und richten sich im Alltag nicht bewusst auf. Angeborene oder erworbene Fehler in der Statik und der Muskeldynamik sind eine zusätzliche Herausforderung. Das macht es dem Rücken schwer, eine gesunde Balance zu finden.

Bekannte Fehlfunktionen

  • Flach-, Rund-, Hohlrundrücken oder Hohlkreuz: Alle Fehlhaltungen weichen von der natürlichen Biegung der Wirbelsäule ab. Das kann zu erheblichen Schmerzen und Verspannungen in der Rückenmuskulatur führen, weil die Muskulatur versucht, die Fehlhaltungen auszugleichen.
  • Skoliose: Zur seitlichen Verbiegung der Wirbelsäule kommt eine Verdrehung der Wirbelkörper. Die dreidimensionale Verformung der Wirbelsäule schränkt die Beweglichkeit ein und lässt sich nicht durch eine andere Körperhaltung ausgleichen.
  • Beckenschiefstand: Der häufigste Grund für einen Beckenschiefstand sind unterschiedlich lange Beine. Im Jugendalter ist ein Beckenschiefstand normal, weil die Knochen unterschiedlich schnell wachsen. Treten die Unterschiede im Erwachsenenalter auf, kann ein Beckenschiefstand zu Verspannungen und Dysbalancen in der Lenden- und Halswirbelsäule führen.
  • Fußgewölbestörung oder “Knick-Senk-Fuß”: Das Fußlängsgewölbe sinkt von der Innenseite gesehen in Richtung Auftrittsfläche ab, weil die Spannung der Tibalis-posterior-Sehne nachlässt.

Zur angeborenen oder erworbenen Fehlhaltung kommt der Bewegungsmangel: 70 Prozent der Deutschen bewegen sich weniger als 30 Minuten pro Tag. Die Muskulatur verkümmert, die Sehnen verkürzen sich.

Kopf hoch! Rückenschmerzen durch den Handynacken

Das passiert übrigens auch, wenn wir aufs Handy schauen. Dabei neigen wir unseren Kopf, der zwischen vier bis sechs Kilogramm wiegt, nach vorne. Es wirken zusätzlich bis zu 27 Kilogramm bei einem Neigungswinkel von 45 Grad auf den Rücken. Das macht die Muskulatur nicht lange mit und verkrampft.

Viele von uns verbringen den Tag im Sitzen – im Büro, im Zug und zu Hause vor dem Fernseher. Der Rücken kommt dort zu kurz! Es ist wichtig, sich regelmäßig aufzurichten. Tipps für gesundes Sitzen sehen Sie in diesem Video: “Die wichtigste Übung gegen langes Sitzen.”

Die Craniomandibuläre Dysfunktion - CMD

Mediziner fassen Funktionsstörungen der Kiefergelenke, die mit der Kaumuskulatur und der Wirbelsäule zusammenhängen, unter dem Begriff Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) zusammen. Cranium ist lateinisch: Es bedeutet “Schädel”. Mandibula steht für “Kiefergelenk”.

Eine aufsteigende Dysfunktion – eine Fehlerkette von unten nach oben – entsteht, wenn sich die Muskeln durch ein fehlerhaftes Belasten des Rückens verspannen.

Die Poliklinik für Kieferorthopädie der Goethe-Universität Frankfurt am Main hat eine Studie veröffentlicht. Diese untersuchte die Auswirkung einer Beinlängendifferenz auf die Oberkörperstatik und die Lage des Unterkiefers bei CMD-Patienten.

Die Beinlängen veränderten die Studienersteller künstlich. Dieser Effekt setzte sich aufsteigend fort. Es gab einen Zusammenhang vom Fuß über die Wirbelsäule zum Schädel. Die komplette Studie lesen Sie hier: “Korrelation von Beinlängendifferenzen, Oberkörperstatik und Kondylenposition”

CMD als mögliche Ursache von Rückenbeschwerden

Eine absteigende Dysfunktion – eine Fehlerkette von unten nach oben – entsteht, wenn Mund- und Kieferprobleme in den Rücken strahlen. Eine craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) hat  erhebliche Auswirkungen auf den gesamten Bewegungsapparat. Die Folge: starke Schmerzen im Kopf- und Nackenbereich, die bis in den Rücken ausstrahlen.

Wissenschaftler der Universitäten aus Barcelona und Innsbruck fanden heraus, dass gerade Zähne die Balance des gesamten Körpers positiv beeinflussen können. 

Die ganze Studie finden Sie hier:  “The influence of dental occlusion on the body balance in unstable platform increases after high intensity exercise

Knirschen und Pressen ist eine Gefahr für die Zähne

Was uns zwischen 7 Uhr morgens und 22 Uhr abends beschäftigt, nehmen wir gerne mit ins Bett. Größere und kleinere Probleme knirschen wir im Schlaf weg. Stress pur für unsere Zähne! Durch häufiges Knirschen oder Pressen kann das Gebiss extrem leiden. Im schlimmsten Fall droht der Zahnverlust.

Zehnmal höherer Kaudruck als tagsüber

Wenn wir in ein trockenes Brötchen oder eine knackige Möhre beißen, drücken unsere Kiefer die Zähne mit etwa 50 kg / cm² zu. Im Schlaf haben wir nichts zu kauen, trotzdem pressen viele von uns in der Nacht die Zähne aufeinander. Und das mit dem Zehnfachen des normalen Kaudrucks! Wer regelmäßig nachts den Stress vom Tag weg knirscht, leidet unter Bruxismus.

Bis zu 45 Minuten dauern die “Knirschanfälle” zwischen Bettdecke und Kopfkissen. Für die Zähne ist das ein Alptraum! „Durch den starken Druck kommt es zu Zahnschmelz-Aussprüngen und zu keilförmigen Defekten am Zahnhals. Vorhandene Kronen und Brücken können Schaden nehmen und die Bisslage kann sich verändern“, schreibt die Bundeszahnärztekammer.

Das Zahnfleisch kann sich entzünden

Überlasten wir den Zahnhalteapparat dauerhaft, zieht sich das Zahnfleisch zurück. Daraus kann eine Entzündung entstehen, die sich unbehandelt zu einer Parodontitis entwickelt. Die greift den Kieferknochen an, der den Zähnen im gesunden Zustand Halt gibt. Spätestens jetzt droht der Zahnverlust!

Weitere Ursachen einer CMD

Spannen wir einen Muskel ständig an, wächst dieser und verspannt sich. Lässt sich zusätzlich der Kiefer nur eingeschränkt bewegen, sprechen Zahnärzte von einer CMD. Neben dem Bruxismus gibt es weitere Fehlfunktionen in Mund und Kiefer die Ursache einer CMD sind, wie:

  • unversorgte Zahnlücken
  • falscher Zahnersatz
  • gekippte Zähne
  • zu hohe Zahnfüllungen

Wie erkennen Sie eine CMD?

Eine CDM hat viele schmerzhafte Gesichter: 

  • Augen und Ohren: Tinnitus, Schmerzen hinter den Augen, Doppelsehen, Ohrenschmerzen.
  • Nacken und Kopf: Schmerz in Kopf, Nacken und Schulter, Gesichtsschmerz, gestörtes Gleichgewicht.
  • Zähne und Gebiss: Zahnschmerzen, Probleme beim Kauen und Mundöffnen, Zähneknirschen, Störgefühl am Zahn.
  • Kiefer und Hals: Knacken im Kiefergelenk, Kiefersperre, Kauen auf einer Seite, Halsschmerzen, Sprachprobleme.
  • Rücken und Beine: Beckenschiefstand, Rückenschmerzen, Schmerzen der Bandscheibe, Blockaden, Schmerzen beim Gehen, Schmerzen in Knien oder Hüfte.
  • Körper und Seele: Übelkeit, Schlafstörung, Verstimmung, Taubheitsgefühle, Verspannung.

Viele Symptome sind unspezifisch und nicht eindeutig für eine CMD.

Der CMD-Selbsttest

Nicht jeder Schmerz im Kiefergelenk ist gleich eine CMD. Wie finden Sie heraus, ob Ihre Kopfschmerzen oder Rückenprobleme mit dem Kiefer zusammenhängen?

  • Knirschen Sie mit den Zähnen oder pressen Sie Ihre Zähne aufeinander?
  • Öffnet sich Ihr Mund ungerade, wenn Sie ihn langsamer und kontrolliert bewegen?
  • Leiden Sie unter Schmerzen im Kiefergelenk oder im Bereich der Ohren?
  • Nehmen Sie beim Öffnen oder Schließen des Mundes Knack- oder Reibegeräusche im Kiefergelenk wahr?
  • Leiden Sie unter Ohrgeräusche (Tinnitus)?
  • Sind Nacken und Schultern verspannt?

Wenn Sie die meisten der folgenden Fragen mit “Ja” beantworten, klären Sie die Schmerzen mit Ihrem Zahnarzt ab. 

Wie hilft der Zahnarzt bei einer CMD?

Aufgrund vielfältiger Symptome fällt die Diagnose einer CMD schwer. Bei einem Verdacht geht der Zahnarzt den Ursachen für die Schmerzen gemeinsam mit anderen Fachärzten auf den Grund. 

Das sind die häufigsten Methoden der CMD-Therapie:

  • Eine Aufbissschiene (Okklusionsschiene) soll die Kau- und Kopfmuskulatur entspannen und das Kiefergelenk entlasten.
  • Schmerzstillende, schlaffördernde und entspannende Medikamente können entlasten und ein chronisches Leiden verhindern. Das steigert die Lebensqualität. Auf Dauer lösen Medikamente die Ursache nicht.
  • Entspannen Sie die Muskulatur durch transkutane elektrische Nervenstimulation oder Triggerpunkt-Infiltrationen.

  • Bei fehlerhaftem Zahnersatz lassen Sie diesen sanieren.

Bewältigen Sie den Stress

Der Zahnarzt arbeitet eng mit Kollegen aus anderen Fachbereichen zusammen, um Knirschern schnell und zuverlässig helfen zu können. Unsere Zähne brauchen wie wir von Zeit zu Zeit eine Pause.

Die Schienen alleine helfen nicht beim nächtlichen Knirschen. Sie schützen zwar die Zähne vor weiteren Schäden, die Ursachen für den Stress im Schlaf müssen Sie zusätzlich herausfinden. Physiotherapeuten, die auf CMD spezialisiert sind, entspannen die Muskeln im Kiefer sowie Nacken- und Schulterbereich. Die Patienten lernen, zu erkennen, wenn sie verspannen und vorzubeugen. Bei aufsteigender Dysfunktion kann der Facharzt eine unterschiedliche Beinlänge, ein Beckenschiefstand sowie eine falsche Haltung gezielt behandeln.

Schaffen Sie Balance im Leben

Sie profitieren doppelt durch den regelmäßigen Besuch bei Ihrem Zahnarzt oder Kieferorthopäden: Mund und Zähne bleiben gesund und der Körper im Lot. 

Der Tag der Rückengesundheit lädt uns dazu ein, achtsam mit unserer Gesundheit umzugehen. Jeder kann mehr für Balance im Leben tun. Direkt jetzt, während Sie diesen Text lesen. Richten Sie sich auf, strecken Sie sich und lachen Sie herzlich drauf los. Dabei entspannt sich die Kiefermuskulatur und wir bleiben herrlich locker!

Über den Tag der Rückengesundheit: 

Auf Initiative des Forums Schmerz im Deutschen Grünen Kreuz wurde der “Tag der Rückengesundheit” im Jahr 2002 eingeführt und ist eine Initiative des Bundesverband deutscher Rückenschulen e. V. und der Aktion Gesunder Rücken e. V

Jeweils am 15. März eines Jahres lenkt der Aktionstag die Aufmerksamkeit auf aktive Prävention von Rückenschmerzen. ➡️ Alles zum Tag der Rückengesundheit und dem diesjährigen Motto „Achtsam durch den Tag –
Rückenbelastungen gesund meistern!“ 

Der zahnmedizinische Fachbeirat von information-mundgesundheit.de

Dieser Artikel wurde von der Information-Mundgesundheit Redaktion nach bestem Wissen und Gewissen recherchiert und erstellt. Die Informationen ersetzen in keiner Weise den zahnärztlichen Rat und den Besuch in der Zahnarztpraxis. Die Redaktion wird unterstützt von unserem zahnmedizinischen Fachbeirat, der unsere Artikel, sofern es aktuell möglich ist, fachlich prüft.  ⏩ Der Fachbeirat von Information-Mundgesundheit