Etwa 3 Millionen Menschen in Deutschland können sich nicht alleine waschen, nicht ohne Hilfe aufstehen und sind selbst beim Zähneputzen auf Unterstützung angewiesen. Sie sind pflegebedürftig und brauchen jemanden, der sich 24 Stunden um sie kümmert. Das betrifft auch die Zahnpflege. Leider oft auf Kosten der Gesundheit, denn Verwandte und Pflegekräfte sind meistens schlecht geschult oder haben wenig Zeit. Das Motto zum Tag der Zahngesundheit am 25. September 2018 lautet deshalb “Gesund im Mund – bei Handicap und Pflegebedarf”. Wir erklären im Blog, wie Zahnärzte helfen können.
Ältere Menschen haben schlechtere Zähne
Bei vielen pflegebedürftigen Senioren und Behinderten läuft mit der Mundgesundheit einiges schief. Offenbar gibt es einen regelrechten Einbruch der Zahngesundheit, sobald ein gewisser Pflegegrad erreicht ist. Die Fünfte Deutsche Mundgesundheitsstudie hat ergeben, dass ältere Menschen mit Pflegebedarf schlechtere Zähne haben als alle anderen Bevölkerungsgruppen.
Wer pflegebedürftig wird, braucht also Unterstützung bei der täglichen Mundhygiene. Und da fängt das Problem an. Denn oft sind Verwandte und Pflegepersonal nicht in der Lage, die Zähne und den Zahnersatz der körperlich beeinträchtigten Person ordentlich zu reinigen. Darunter leidet die Gesundheit. Parodontitis, Wurzelkaries und Erkrankungen der Mundschleimhaut sind häufige Diagnosen bei Betroffenen, die sich nicht mehr selbst um die Zahnpflege kümmern können.
Ergebnisse der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie
Menschen mit Pflegebedarf haben häufiger Karies, tragen öfter herausnehmbaren Zahnersatz und besitzen weniger eigene Zähne als Senioren im Alter von 75 bis 100 Jahren. Jeder zweite Betroffene in dieser Altersgruppe mit Pflegebedarf ist außerdem zahnlos.
“Wir brauchen besser geschultes Pflegepersonal”
Die demographische Entwicklung stellt Zahnärzte und Pflegeeinrichtungen vor eine große Herausforderung. Wie eine Praxis pflegebedürftigen Menschen und Angehörigen in dieser Situation helfen kann, zeigt das Beispiel der Zahnärzte im Wengentor Ulm. Worauf es heute und in Zukunft ankommt, erläutert uns Zahnarzt Hans-Georg Stromeyer.
Die Menschen in Deutschland werden immer älter. Damit steigt auch der Bedarf an qualifizierten Pflegekräften. Wie reagieren Sie als Zahnarzt auf die aktuellen Entwicklungen?
Hans-Georg Stromeyer: Häufig ist bei älteren Menschen die Mobilität schon so eingeschränkt, dass sie sich nicht mehr selbstständig die Zähne putzen können. Deshalb brauchen sie Hilfe. Verwandte und das Pflegepersonal sollten sich aber nicht alleine um die Zahnpflege kümmern. Regelmäßige Besuche beim Zahnarzt sind wichtig, um zum Beispiel Erkrankungen rechtzeitig erkennen zu können. Auf die mobile Einschränkungen viele unserer älterer Patienten haben wir reagiert und die Praxis barrierefrei eingerichtet. Außerdem schaffen wir aktuell eine Stelle für einen Zahnarzt mit Schwerpunkt Alterszahnheilkunde und betreuen ein Pflegeheim.
Welche Fragen zur Zahnreinigung stellen Ihnen Angehörige, die einen Verwandten pflegen?
Hans-Georg Stromeyer: Es ist tatsächlich so, dass Verwandte und Angehörige eher wenige Fragen stellen. Womöglich ist es immer noch ein Tabuthema. Das sollte sich ändern, denn gepflegte Zähne sind eine wichtige Voraussetzung, um gesund zu bleiben. Wenn ältere Menschen an Wurzelkaries leiden oder die Prothese schlecht sitzt und Schmerzen beim Kauen verursacht, wirkt sich das auf die Ernährung aus. Statt vollwertiger Nahrung steht dann breiige Kost auf dem Speiseplan. Auf Dauer droht eine Mangelernährung. Deshalb ist es wichtig, aktiv zu werden und sich Hilfe zu holen.
Was muss Ihrer Meinung nach passieren, damit Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderungen bei der täglichen Mundhygiene besser unterstützt werden?
Hans-Georg Stromeyer: In den Einrichtungen muss die Zeit, die im Pflegeplan für die Mundhygiene vorgesehen ist, auch dafür genutzt werden. Das kann aber nur geschehen, wenn das enge zeitliche Korsett, in das die Pflegekräfte gepresst werden, deutlich entschärft wird. Genauso müssen die Kollegen, die in Pflegeeinrichtungen arbeiten, besser ausgebildet und besser bezahlt werden. Die Zahnpflege bei Senioren und Menschen mit Handicap wird in den kommenden Jahren noch wichtiger. Da brauchen wir unbedingt mehr gut ausgebildete Zahnärzte und entsprechend geschultes Pflegepersonal. Außerdem sollten Zahnarztpraxen die Einrichtungen besser unterstützen und mehr Kooperationsverträge abschließen. Aus eigener Erfahrung können wir nur sagen, dass dort sehr großer Bedarf an professioneller Unterstützung vorhanden ist.
Mehr Unterstützung von den Krankenkassen
Die Krankenkassen möchten helfen, die Mundgesundheit pflegebedürftiger Senioren und Menschen mit Handicap zu verbessern. Deshalb bieten sie neue Leistungen an:
Gesetzlich Krankenversicherte, die
- einem Pflegegrad nach §15 SGB XI zugeordnet sind oder
- Eingliederungshilfe nach § 53 SGB XII erhalten
dürfen die Leistungen zweimal im Jahr auf Kosten der Krankenkasse nutzen. Dazu zählt: Erfassung des Mundgesundheit-Status, Erstellung eines individuellen Mundgesundheitsfahrplans, Aufklärung zur Bedeutung der Mundhygiene und die Entfernung von harten Zahnbelägen einmal im Kalenderhalbjahr.
Diese Leistungen können sowohl in der Praxis als auch zu Hause oder in Pflegeheimen in Anspruch genommen werden. Je nachdem, wo sich der Zahnarzt um die Mundgesundheit der Betroffenen kümmert. Laut GKV-Spitzenverband, der zentralen Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Deutschland, können bis zu vier Millionen Menschen in Deutschland von den neuen Maßnahmen profitieren. Bei etwa 2,86 Millionen Menschen mit Pflegebedarf hierzulande scheint die Rechnung aufzugehen.
Jetzt vorsorgen und sich Hilfe holen!
Angehörige sollten sich deshalb Unterstützung bei der Zahnreinigung der pflegebedürftigen Person holen. Fragen Sie in Ihrer Zahnarztpraxis nach individuellen Behandlungskonzepten für Senioren und Menschen mit Pflegebedarf. Vielleicht empfiehlt es sich auch, zu einem frühen Zeitpunkt über Zahnimplantate nachzudenken.
#FragDenZahnarzt: Das Zahnimplantat: Was Sie zu Zahnersatz auf Implantaten wissen sollten!
So können Sie auch im hohen Alter noch richtig zubeißen und senken das Risiko für eine Mangelernährung. Doch auch Zahnimplantate brauchen Pflege. Sie sehen also: Am Ende schaffen Sie es nur mit Unterstützung! Dafür sind die Profis in der Praxis schließlich da.
Zum Tag der Zahngesundheit 2018:
Seit 1991 erinnert der Tag der Zahngesundheit jedes Jahr am 25. September daran, wie wichtig die Vorsorge gegen Erkrankungen wie Karies und Parodontitis ist. In wechselnder Reihenfolge stellen die Verantwortlichen dazu aktuelle Themen in den Fokus und überlegen sich ein passendes Motto.
Danke für die Informationen zu Zahnimplantaten. Mein Großonkel hat auch Zahnimplantate. Interessant, dass die Zahngesundheit abnimmt, je pflegebedürftiger man ist.