“Wichtig ist auf’m Platz!” – diese altgediente Fußballweisheit wird ab heute in Russland in die Tat umgesetzt: 32 Mannschaften spielen um den Titel des Fußballweltmeisters! Jeder Kicker reist dabei in der Regel mit rund 28 eigenen Zähnen an, je nach aktuellem Zustand sind es auch mal mehr oder weniger. Nur eins sollten sie sein, die Kicker-Zähne: in weltmeisterlicher Form. Die Mundgesundheit kann einen entscheidenden Einfluss auf die Leistungsfähigkeit sensibler Leistungssportler nehmen – wie wir in unserem ersten WM-Artikel erklären.

Fußballschuh auf Fußball: Zum Beginn der Fußballweltmeisterschaft in Russland erklärt Information Mundegsundheit, warum gesunde Zähne für den Erfolg wichtig sind.

Zähne und Kiefergelenke oder Muskeln, Gelenke und Herz?

Warum sind denn jetzt die Zähne wichtig, wenn es darum geht, mehr Tore zu schießen als der Gegner? Sportler benötigen doch vor allem eine gute Ausdauer, starke Muskeln und gesunde Gelenke. Soweit alles richtig, aber jetzt kommt das berühmte – “aber”.

Die Mundgesundheit beeinflusst auch die Leistungsfähigkeit – ob Hobbykicker oder Nationalspieler! Steigt die Belastung, steigen auch die Anforderungen an den Organismus. Muskulatur, Gelenke, Herz – aber auch das Immunsystem – sind bis an die Leistungsgrenzen gefordert.

Als Leistungsbremse kommen dann ins Spiel:

  • Bakterielle Entzündungen und Infektionen (Parodontitis / Karies)
  • Fehlende Zähne oder schlecht angepasster Zahnersatz
  • Undichte Kronen oder zu hohe Füllungen
  • Pressen oder Knirschen

Das gilt natürlich auch für Fußballer, weiß Zahnarzt Dr. Andreas Quidenus aus Wien. Der ehemalige Fußballprofi betreut die Erstliga-Clubs SK Rapid Wien und FAK Austria Wien:

“Vor allem durch Entzündungen an den Zahnwurzeln können Bakterien in den Blutkreislauf gelangen und von dort aus den Organismus angreifen. Dies kann Erkrankungen des Herzens, der Lunge und anderer innerer Organe verursachen. Sportliche Betätigung fördert die Durchblutung. Dies hat zur Folge, dass auch die Ausschwemmung von Bakterien in den Blutkreislauf und damit das Erkrankungsrisiko enorm ansteigt. Das Risiko der Keimverschleppung zum Herzen ist bei Zahnerkrankungen besonders groß.

Durch Zähneknirschen kann es auch zu chronischen Muskelverspannungen und Fehlstellungen im Nacken kommen. Auch der Einbau einer Krone, Brücke oder eines Zahnersatzes kann den Biss verändern und zu Verspannungen und Schmerzen führen.”

Dr. Andreas Quidenus, Zahnarzt und ehemaliger Fußball-Profi aus Wien

Sportler und ihre Mundgesundheit im Fokus

In den letzten Jahren haben zwei Studien für Aufsehen gesorgt, die sich mit der Mundgesundheit von Spitzensportlern beschäftigt haben:

  • Eine Studie der Universität London hat anlässlich der Olympischen Sommerspiele 2012 in London zum Vorschein gebracht, dass von den 278 untersuchten Athleten aus Europa, Amerika und Afrika rund 55 Prozent Karies, 45 Prozent Erosionen, 76 Prozent eine Gingivitis und sogar 15 Prozent eine Parodontitis hatten. Knapp 20 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre schlechte Zahngesundheit einen negativen Einfluss auf ihre Leistungsfähigkeit habe. Schließlich gab fast die Hälfte der Sportler an, sich im vergangenen Jahr keiner zahnärztlichen Untersuchung unterzogen zu haben. Quelle: ZWP online / Leistungssport: Wird den Zähnen zu wenig Beachtung geschenkt?

 

  • Spätestens seit der Studie im „British Journal of Sports Medicine“ über die schlechte Zahngesundheit der englischen Premier League Spieler im Jahr 2015 ist das Thema in aller Munde. Die Ergebnisse waren erschreckend. Von 187 untersuchten Spielern hatten 37 Prozent Karies, 53 Prozent dentale Erosionen und 5 Prozent litten an einer mittelschweren Parodontitis. 7 Prozent gaben sogar an, dass ihre Zahnschmerzen die sportliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Eine der Hauptursachen dafür war der häufige Verzehr von zucker- und kohlensäurehaltigen Sportdrinks. Link zur Studie! 

Deutsche Zahnmediziner im Einsatz für Titel und Medaillen

Die Auswirkungen der Mundgesundheit auf die physische und psychische Leistungsfähigkeit ist natürlich auch den Zahnmedizinern in Deutschland bekannt. Allerdings sind Länder wie die USA seit Jahrzehnten Vorreiter bei der Betreuung von Sportlern. Mittlerweile haben auch Zahnärztinnen und Zahnärzte aus Deutschland die Möglichkeit, sich zum zertifizierten Sport- und Teamzahnarzt ausbilden zu lassen.

Die Deutsche Gesellschaft für Sport Zahnmedizin e.V. (DGSZM) macht es möglich

Die DGSZM in Nürnberg möchte das Bewusstsein bei Trainern, Sportlern und Funktionären für die Bedeutung der Mundgesundheit im Sport stärken. Insbesondere vorbeugende Maßnahmen – also die zahnmedizinische Prophylaxe – stehen hier im Mittelpunkt. Zum WM-Auftakt haben wir uns mit Dr. Florian Göttfert, Edel&Weiß Zahnärzte in Nürnberg und Generalsekretär der DGSZM unterhalten.

Welche Ziele verfolgen Sie gemeinsam mit der DGSZM?

Wir wollen unser Wissen an andere Zahnärzte weitergeben und somit in Deutschland eine flächendeckende sportzahnmedizinische Versorgung gewährleisten. Uns ist klar, dass nicht jeder Sportler aus Deutschland nach Nürnberg kommen kann, um sich “durchchecken” oder “vermessen” zu lassen. Deshalb die Idee, ein deutschlandweites Netzwerk aus sportbegeisterten Zahnärzten zu stricken. Außerdem wollen wir natürlich die deutschen Sportler in Ihrer Leistung optimieren und sind wirklich mit Herzblut dabei. Schön war auch, dass elf unserer Sportler bei den Spielen der Winterolympiade 2018 dabei waren. Da fiebert man natürlich nochmal ganz anders mit.

Welche Rolle spielt der Zustand von Zähnen, Zahnfleisch und Kiefergelenken für die optimale Leistungsfähigkeit von Spitzensportlern?

Eine sehr große! Dabei ist der Zustand der Zähne in Bezug auf “Silent Inflammations”, also den sogennanten stillen Entzündungen, die erstmals für den Sportler unbemerkt bleiben, besonders wichtig. Auch die Position des Unterkiefers zum Oberkiefer, also die vermeintliche Zentrik der Kiefergelenke, kann einen großen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit des Sportlers haben.

Stille Entzündungen, durch Bakterien ausgelöst und erstmal unbemerkt, können den ganzen Organismus des Sportlers schwächen und somit seine Leistung minimieren. Es gibt also unterschiedliche Punkte, die eine wichtige Rolle spielen und die Mundgesundheit und somit eine optimale Leistungsfähigkeit des Sportlers garantieren.

Welche spezifischen Einflüsse der Mundgesundheit beobachten Sie bei Fußballern und wie werden diese behandelt?

Im Prinzip ist das bei Profi-Fußballspielern genauso wie bei vielen anderen Hochleistungssportlern auch: Ein rundum gesunder Mund kann die Leistungsfähigkeit verbessern. Vor allem dann, wenn der Körper nicht mehr mit den Silent Inflammations zu kämpfen hat. Zusätzlich haben wir die Möglichkeit, mit unserer individuell angefertigten Performance-Schiene die Leistung zu optimieren. Die perfekte Kiefergelenksposition kann über die absteigende Muskelkette zu einer optimierten Performance auf dem Platz oder beim Training führen. Der Fußballer kann somit seine wichtigen Muskelgruppen besser trainieren.

Wo besteht aktuell der größte Handlungsbedarf in der zahnärztlichen Betreuung von Leistungssportlern?

Das kann man so nicht auf einen Fakt reduzieren. Ein Leistungssportler muss immer im Ganzen betrachtet werden, wie unsere anderen Patienten auch. Sicherlich legen wir Wert darauf, dass beim Sportler weitestgehend nur dann zeitaufwendige oder größere Behandlungen, wie zum Beispiel eine Weisheitszahn-Extraktion, durchgeführt werden, wenn er sich in einer Spielpause befindet. Letztlich ist es wichtig, ein komplettes Screening durchzuführen, um alle „Silent Inflammations” ausschließen zu können.

 

Sportzahnarzt Dr. Florian Göttfert und sein Olympiasieger Tobias Wendl. Mit Tobias Arlt holte er bislang vier mal Gold im Rennrodeln.

Sportzahnarzt Dr. Florian Göttfert (l.) und sein Patient, Olympiasieger Tobias Wendl. Mit Tobias Arlt holte er bislang vier mal Gold im Rennrodeln.

Wenn der Zahn den Körper lahmlegt: Diese Fußballer hat es getroffen!

Schon vor der WM 2006 in Deutschland erinnerte Schiedsrichter Dr. Markus Merk regelmäßig daran, wie wichtig die konsequente Pflege der Zähne für Fußballer sei. Merk, im Hauptberuf Zahnarzt, mahnte: „Bundesliga-Kicker, die ihre Zahngesundheit vernachlässigen, setzen ihre sportliche Leistungsfähigkeit aufs Spiel.“

Dieses Zitat stammt aus einem Artikel der Süddeutschen Zeitung aus dem Jahr 2010 mit dem Titel “Ribery und die Zähne – Die Wurzel allen Übels”. Den Franzosen im Trikot des FC Bayern München plagten monatelang diverse Entzündungen (Patellasehnen, Nagelbett). Auslöser waren Reste einer Tamponade, die nach einer Zahnbehandlung nicht entfernt wurden.

Die Süddeutsche Zeitung nannte weitere Fälle:

  • Ex-Nationaltorwart Jens Lehmann, dessen Gelenkschmerzen mit einer speziellen Gebiss-Schiene behandelt wurden.
  • Carsten Ramelow litt als Spieler von Bayer Leverkusen unter ständigen Schmerzen in der Achillessehne. Ihm wurden entzündete Backenzähne entfernt.
  • Bei Emile Mpenza (ehemals Schalke 04) wurden entzündete Zähne als Ursache hartnäckiger Muskelschmerzen identifiziert.

Vorsorge in der Zahnarztpraxis: Auch für Sportler ein Pflichttermin

Regelmäßige Prophylaxe in der Zahnarztpraxis sollte für jeden Menschen selbstverständlich sein. Wenn bakterielle Entzündungen verhindert werden, verringern sich die Risiken für die allgemeine Gesundheit. Gerade Spitzensportler müssen sich darüber im Klaren sein, dass auch kleine Probleme mit den Zähnen, große Auswirkungen auf die Leistung haben können. So hat eine Parodontitis, die chronische Entzündung des Zahnhalteapparates, direkten Einfluss auf den Stoffwechsel und den Säure-Basen-Haushalt. Eine Übersäuerung der Muskulatur wirkt sich unmittelbar negativ auf die Leistungsfähigkeit aus.

#FragDenZahnarzt: Darum ist Prophylaxe mehr als eine professionelle Zahnreinigung!

Am 15. Juli wissen wir, wer den WM-Pokal in den Händen halten wird. Ob das dann die Mannschaft mit den gesündesten Zähnen ist, wird nach einem WM-Sieg sicher niemand hinterfragen. Oder die ganze Nummer geht wieder frei nach Gary Lineker aus. Der britische Ex-Profi hat es ja schon vor vielen Jahren auf den Punkt gebracht: “Fußball ist ein Spiel, bei dem 22 Spieler hinter einem Ball herjagen und am Ende gewinnt immer Deutschland!”

Drücken wir Jogi Löw und seiner Mannschaft die Daumen, alles andere entscheidet sich auf dem Platz – oder vielleicht auch vorher schon in der Zahnarztpraxis?